Während unten an der Aare eine niederschwellige Belebung praktisch sofort vertrieben wird, blühen in der Stadt verschiedenste unkommerzielle Belebungsprojekte: Die sogenannte «Kulturoase» im Kocherpark zum Beispiel, oder der «Dorfplatz nach mexikanischem Vorbild» auf dem Waisenhausplatz. In einem Quartier, in dem praktisch niemand wohnt, weil die Wohnungen längst den Geschäften und Büros gewichen sind, einen Dorfplatz zu simulieren, ist ja schon mal eine ziemlich absurde Idee und hat nicht viel mit Belebung zu tun. Und auch im Kocherpark scheint die Kulturoase «Parkonia» viel mehr Beruhigung als Belebung zu sein, ein harmloser Spielplatz für Kulturinteressierte und -aktive, die lieber nicht am System kratzen wollen. Yoga statt Heroin wie damals vor 30 Jahren, Kompromisse statt Polizeiaufgebot wie 2017 als die Effy gegenüber des Parks erst besetzt und dann gewaltvoll geräumt wurde.
Gestern Abend war ich dann doch wieder mal an einer Silent Disco beim Parkonia, das gönn ich mir so ein mal im Jahr, um mir die Absurdität der stillen Szenerie reinzuziehen. Denn das einzig nice an Kopfhörer-Parties ist, dass es so absurd und gruselig ist. Wenn man da hin kommt, ist es fast ganz still, man hört nur die Bewegungen der Tanzenden und der DJ klatscht hin und wieder in die Hände. Man muss sich nur kurz ohne Kopfhörer in die Mitte der Crowd stellen, im schummrigen Licht des schönen Kocherparks, und das Parkonia verwandelt sich ganz schnell in Paranoia.
Silent Disco ist ein Ego-Trip und funktioniert vielleicht als meditativer Akt der Entgrenzung von der eigenen sozialen Umwelt aber bestimmt nicht als Disco oder Kultivierung einer gemeinsamen Partykultur. Eine gute Party ist laut und bunt, die Silent Disco ist nicht mal bunt, es gibt nur zwei Farben: Kanal eins und Kanal zwei. So kann man wählen zwischen dem gelben und dem violetten DJ und bekommt also gleich zwei Ego Partys für eine. Aber das macht noch lange keinen Regenbogen, sondern entspricht einfach nur der Logik des Marktes, denke ich mir in meiner Paranoia und verziehe mich zur Reitschule, wo es in der grossen Halle eine richtige Disco gibt, eine mit Disco-Kugel, einem diversen Publikum und laut aus den Boxen scheppernden Disco-Hits.
Aber das Unerträglichste an der Silent Disco ist nicht der Ego-Trip, sondern dass sie der Inbegriff von Kompromissbereitschaft ist. Kultur darf im öffentlichen Raum stattfinden, wenn man sie nicht sieht und nicht hört. Ein bisschen Yoga am Morgen, Gelateria die Berna am Nachmittag und Silent Disco am Abend stört nicht, natürlich solange alles im Detail mit der Stadt abgesprochen wurde. Aber wenn unten an der Aare ein paar Anarchos ein brachliegendes Betonfundament niederschwellig zum belebenden Treffpunkt verwandeln, dann stört das. Dann muss das sofort weg.