Mutter Spaghetti → Snow Lion Momos

So muss man vielleicht gerade anfangen: Es geht genau nicht um Momos, auch wenn Titel und Name des Orts danach klingen. Das hat schon seine Gründe. Momos, die es seit einigen Jahren fast überall zu kaufen gibt, «Asian Street Food», zehn Stück, viel Geld – ein Konzept, auch von Hotelfachschulabsolventen und Pop-up-Nihilistinnen für lukrativ befunden. Teigtaschen gibt es von überall her in unterschiedlichsten Ausführungen von Ravioli bis Wan Tans, und eigentlich sind alle wunderbar. Ein dankbares Essen, weil es praktisch ist wie ein Snack und aufregend wie eine ganze Mahlzeit, auch, weil man es (meist) mit den Händen zu sich nehmen kann. Und weil fast alles mehr Spass macht, wenn eine Sauce dazu gereicht wird. Als Gastroprojekt ausserdem auch deswegen praktisch, weil die Teigtaschen leicht vorproduziert werden können. Warum gerade die tibetischen bzw. ebenfalls in Nepal verbreiteten Momos einen solchen Siegeszug antreten durften, ich weiss es nicht– vielleicht liegt es einfach am Namen. Klingt halt herzig. Tibetische Küche sonst? Keine Ahnung.

«In der Stadt kriegst du jetzt überall Momos, aber Tentup, das haben nur wir» – das sagt die Frau an der Theke des Snow Lion Tibetan Momos, dessen Namen angesichts des offensichtlichen Erfolgs des Gerichts wohl Sinn ergibt. Es ist eigentlich ein Restaurant, jetzt aber ein zu gross geratener Take-Away, zweidrei Schritte von der Bümplizer Fussgängerzone entfernt. Normalerweise isst man gerne hier in diesem unaufgeregt eingerichteten Raum, ein Porträt des Dalai Lama, einige Pflanzen, ansonsten weisse Wände und graues Mobiliar. Als ich zum ersten Mal hier bin, irgendwann im Sommer, läuft zwar Musik, aber sie wird dauernd lauter gedreht, dann wieder leiser, dann bricht sie ab – von hinter der Theke kichern zwei Kinder, die sich den ganzen Abend mit Youtube vergnügen.

An diesem Abend esse ich zum ersten Mal Tentup. Auf der Karte steht beschrieben: «Selbstgemachte Teigwaren mit Pak Choi, verschiedenes Gemüse und Zutat nach Wahl». Ausserdem gibt es auch Bhötup, Nudeln statt Teigwaren. Das ganze mit Fleisch oder Tofu, viel Gemüse, in der Suppe oder auch nicht und wenn man bestellt, wird man vorgewarnt: dauert mindestens zwanzig Minuten. Die Teigwaren sind ungefähr vier Quadratzentimeter gross und einigermassen dick, vielleicht zwei oder drei Millimeter. Nimmt man ohne Suppe, liegt alles in einer salzigsüssen Sauce, man möchte sich hineinlegen. Ingwer, Knoblauch, Zwiebel wahrscheinlich, sicher auch Szechuanpfeffer, der tauben Zunge nach zu schliessen. Ein warmes, volles Gericht: Seelenfrass und auch gut für jene, die eigentlich am liebsten jeden Tag Pasta essen wollen.

Jetzt stehe ich da, mittags um eins, und die Frau an der Theke sagt: «Sorry, kein Tentup mehr, heute wollten das alle.» Momos hätte es noch, aber ich nehme das Tagesmenü, eine riesige Portion Reis mit Gemüse und Tofu oder Fleisch nach Wahl (Rind, Schwein, Huhn, Ente), in einer ganz dunklen Sauce, weniger süss, ebenfalls sehr gut, 13.50 – wirklich kein Grund, enttäuscht zu sein.

Was das denn eigentlich genau sei, Tentup, frage ich. Ein klassisches tibetisches Rezept, erklärt sie, mit wenigen Zutaten, die im Hochland eben zur Verfügung stehen: im Wesentlichen Wurzelgemüse, Getreide und Fleisch, meist Yak. Man brät Zwiebeln und Tomaten in Öl an, dann kommen Karotten, Rettich (üblicherweise Daikon-Rettich, eine milde, grossgewachsene Sorte) und Pak Choi dazu, anschliessend das Fleisch in Stücken. Man füllt das Ganze mit Wasser auf, dann werden vom Teig, nur aus Mehl und Wasser, kleine Fetzen gezogen und hineingeworfen: Traditionell wird Tentup also als Suppe gegessen, es sei dort oben schliesslich kalt. Welche Gewürze sie braucht, sagt sie mir nicht, und ich traue mich auch nicht zu fragen. Wie sie das hier zubereiten, sei etwas angepasst an hiesige Möglichkeiten und das persönliche Rezept ihres Vaters, der das Restaurant führt. Sie selbst arbeitet eigentlich in der Pflege und hilft nur manchmal an freien Tagen aus.

Und das andere Gericht, Bhötup? «Das ist eigentlich das gleiche, die Nudeln sind halt länger. Ich mag das lieber», sagt sie, und noch, dass ich das nächste Mal früher kommen oder per Telefon vorbestellen soll. Sonst sei dann wieder alles weg.

Tibetan Snow Lion Momos, Brünnenstrasse 104, 3018 Bern. Öffnungszeiten täglich 10.30-14.00 und 17.00-22.00, ausser Samstag abends bis 21.45 und Sonntag nur 17.00-22.00. Telefonisch bestellen, auch nach Hause: 031 994 49 03.

Mutter Spaghetti heisst: KSB isst. Und macht sich einzwei Gedanken dazu. Weil Essen Kultur ist und der Bauch das zweite Hirn.