Postkarte aus Venedig: Szeemann and Lenin

Was könnte man derzeit lieber machen wollen als in einem tollen Kino in Venedig (Teatrino di Palazzo Grassi, zeitgenössische Architektur versteckt sich hier ja gern in Innenräumen) sitzen und Harald Szeemann zuhören, wie er in einem Lastwagen sitzt, den Kopf hin- und hergeworfen, und über Kunst, Politik und Utopien spricht?

Eine einzige grosse Geschichte des Scheiterns, meint Szeemann. Kandinsky, Malevitch, Duchamp. Wobei dieses der Kunst halt besser ansteht als der Politik, sagt er halb und halb denkt man sich’s. Sonst passiert nicht viel ausser dass drei abmontierte kommunistische Heldentorsen auf dem Weg sind zum Monte Verita.

Als man reinging war es ein Frühsommernachmittag, als man rauskommt ist der Himmel eine effektvolle Topologie aus Grau. Ein Gewitter zieht vorbei, lässt ein paar einzelne Tropfen fallen und einen fernen Donner hören. Dann kommt die Sonne wieder und leuchtet den Canal Grande aus als wärs ein Wagner-Bühnenbild. Venedig ist ja auch so eine real existierende aber nichtfunktionierende Utopie, immer mehr Besucher, immer weniger Einwohner. Die Welt als touristischer Wille und Vorstellung. Nicht weitersagen: Man kann einen Abstecher hierhin nur empfehlen. So ruhig wird es in Venedig nie mehr sein, wenigstens nicht bis zum nächsten Weltenbrand.